Rezension: „Rean – Das Siegel des Orakels“ 1+2

Wow. Ich bin sprachlos. Zwei so gute, nein, geniale Bücher für Lau? Das muss ein Traum sein. Und ich habe jetzt das Problem, davon zu erzählen ohne zu viel zu verraten.

Anette Strohmeyer stellt ihren Erstling auf Bookrix, den sie innerhalb von 3 Jahren vollendet hat,  gratis zur Verfügung. Es handelt sich dabei um eine gelungene Mischung aus Fantasy- und historischem Roman. Hier muss ich ganz besonders die unglaubliche Recherchearbeit Strohmeyers herausstellen – man kann gar nicht glauben, dass sie all dies in nur drei Jahren geschafft hat!  Sprache, Gebäude, Kleidung bis hin zu den kleinsten Details werden korrekt und stimmig wiedergegeben. Aufgefallen ist mir dies schon auf den ersten Seiten, bei der Schilderung von Sattel- und Zaumzeug bzw. bei allem, was mit Pferdepflege allgemein zu tun hat. Da ich selber reite, merke ich bei Fantasy-Romanen schnell, wenn jemand keine Ahnung hat, wovon er schreibt und offensichtlich zu faul ist, zu recherchieren.

Die Geschichte beginnt mit der Geburt des Titelhelden. Hier war der einzige Moment, in dem ich kurz gezweifelt habe, weil ich glaubte, es würde nun ewig dauern, bis endlich die Action kommt. Aber weit gefehlt. Reans Leben steht von Anfang an unter einem besonderen Stern, daher ist auch das Miterleben seiner Kindheit so wichtig. Außerdem gibt es dem Leser die Möglichkeit, wirklich in die Welt Reans, in die Kultur, den Glauben und die Gesellschaft der Hy einzutauchen. Schnell weiß man auch als Leser, was in dieser Welt sagbar und was tabu ist. Außerdem lernt man die Figuren sehr gut kennen, so dass man bei ihren Problemen mitfiebert, mit ihnen leidet oder sich mit ihnen freut.

Rean wird als Kind in seinen Träumen von Zukunftsvisionen geplagt und benimmt sich daher nicht wirklich gesellchaftskonform, er ist gleichsam das schwarze Schaf. Dabei will er nichts anderes, als dazu gehören und endlich normal sein. Das gelingt ihm auch, fast, wenn er nicht im entscheidenden Moment eigenmächtig handeln würde.

An dieser Stelle beginnt das zweite Buch, dass von Reans Studienzeit und seinen Abenteuern im Ausland erzählt. Ausgewählt an der Akademie der Kriegskünste zu studieren, steckt Rean in einer Zwickmühle zwischen seinen Verpflichtungen zuhause und der Freiheit  in der Stadt Borgossa. Er findet neue Freunde, aber auch Feinde, denn nicht jeder dort ist ihm wohlgesonnen. Um nicht zu viel zu verraten sei gesagt: Jede Station auf Reans Weg hat einen Sinn.

Rean ist jedoch nicht die einzige Figur, deren Geschichte erzählt wird. Da gibt es auch noch Charaktere auf der Seite der Antagonisten, der Askharer, die die Hy vernichten wollen. Da wäre zum einen Prinz Kanaima, der von seinem Vater König Katthike verstoßen wird und dessen Schicksal mit dem Reans verbunden zu sein scheint. Zum anderen wäre da auch noch Lata, der geheimnisvolle Berater des Königs, und Kronprinz Setna.

All diese Figuren sind nachvollziehbar gestaltet. Es gibt nicht nur Gut oder Böse; die Guten haben ihre Schattenseiten und die Bösen sind auch nur Menschen. Gerade die wundervollen Figuren machen den Roman so lesenswert. Sie alle erscheinen so plastisch, dass man meint, es handele sich um echte Menschen.

Die Komposition ist herrlich. Es gibt so viele Handlungsstränge, die stets spannend und präsent bleiben und schließlich alle miteinander verknüpft werden und ihren Abschluss finden. Ohne zu spoilern, möchte ich sagen, dass der letzte Satz mir Tränen in die Augen trieb, ob der Schönheit –  einfach nur weil der letzte Handlungsstrang ein passendes Ende findet.

Strohmeyer schreibt so atmosphärisch, die Inhalte sind so akkurat recherchiert und die Charaktere so lebensecht, dass man sich tatsächlich in die Geschichte hineinversetzt fühlt. Ich habe sehr lange zum Lesen gebraucht, da ich leider nur Abends und auf dem Weg zur Arbeit lesen kann, aber selbst wenn ich ein-zwei Tage nicht dazu kam, habe ich oft über die Figuren und ihre Gedanken und Gefühle nachdenken müssen – als seien es echte, mir bekannte Menschen, um deren Wohlergehen ich mir sorgen machte. Ein wahres Erlebnis, ein Lesegenuss, von dem ich immer noch nicht glauben kann, dass er gratis war!

Ich empfehle, sich einmal die Webseite der Autorin anzusehen. Dort findet man Zeichnungen von Figuren, Gebäuden, Kleidung und viele weitere Infos wie Wörterbücher und Charakterbeschreibungen.

Anette Strohmeyer schreibt momentan mit ihrer Ondragon-Reihe v.a. Mystery-Thriller, die von Psychothriller GmbH herausgegeben werden. Leider, leider ist das nicht mein Genre, aber ich überlege doch einmal einem Blick darauf zu werfen – die Figuren und der Schreibstil werden es absolut wert sein!